Zellerrain

An einem in der gemähten Wiese kaum mehr erkennbaren Wanderweg zwischen St. Annaschloss und den Weilern Koblen und Leh befindet sich dieser mit roten Glanzziegelsteinen erbaute Bildstock. Wenn nicht jährlich noch Flursegnungen stattfinden würden, wäre der Bildstock in der Bevölkerung längst vergessen, da er abseits von Strassen im Bauernhof Zellerrain gelegen ist. Der Schmuck besteht aus einer ergreifenden Kreuzigungsszene. Die beiden hölzernen Statuen zu Seiten des Kruzifixes veranschaulichen die Trauer von Maria und Johannes. Wie ruhig und ungestört der Standort ist, beschreibt der Historiker Richard Grünberger 1977: «Über dem Kreuz, ob der Inschrift INRI thront friedlich ein Vogelnest.» (INRI = Iesus Nazarenus Rex Iudaeroum = Jesus von Nazaret, König der Juden)

Dem heutigen Besitzer des Hofs in dritter Generation ist mündlich von seinen Vorfahren überliefert worden, dass bis 1900 ein Holzkreuz beim Hof stand, wo noch heute die Wege via Koblen nach Grub und via Leh nach Eggersriet abzweigen. Der Hof war damals nur durch diese Wege erschlossen und das Kreuz sei einem Holztransport zum Opfer gefallen. Die Bauweise des Bildstocks mit den Ziegelsteinen lässt die Erstellung in der industriellen Zeit der ersten Jahre des 20. Jahrhunderts vermuten.

Um 1930 überprüfte die Kirchgemeinde auf ihren Bildstöcken die Dienstbarkeiten. Wo sie keine fand, schloss sie neue Verträge ab. Sie sicherte damit, dass bei Handänderungen neue andersgläubige Eigentümer, denen das katholische Brauchtum fremd war, das grundbuchamtliche Servitut der «Duldung eines Bildstocks» als Rechtsnachfolger übernehmen mussten. So schloss die Kirchgemeinde 1931 mit dem Landwirt Franz Scherrer in Zellerrain einen Vertrag mit dem üblichen Wortlaut ab.

Scherrer ging 1934 in Konkurs, das Gut wurde versteigert und 1935 erwarben es Ernst und Marie Hörler, Sie führten auch bis 1958 das Gasthaus zum Engel, das zum Hof gehörte. Für die Bevölkerung war der «Engel» und sein Bildstock nicht nur an Flursegnungen ein beliebtes Ausflugsziel. Das Ehepaar Hans und Esther Hörler besitzt heute das Gut in dritter Generation. Die Dienstbarkeit haben das Ehepaar wie auch ihre Eltern und Grosseltern, alle von evangelischer Konfession, stets als Pflicht für ein kulturelles Allgemeingut betrachtet und den Bildstock über all die Jahre betreut und auch zusammen mit Anwohnern mit Blumen geschmückt. Den einst an viel begangenen Wegen stehenden Bildstock liess die Kirchgemeinde nicht verlottern und 1977 durch den Restaurator Bonifaz Engler sorgfältig restaurieren. Eine erneute Renovation ist demnächst fällig.

Impuls

Leben

Ergreife Du die Macht über mich
Du, von Dir kommt alles, was gut ist
Ergreife Du die Macht über mich
über meine Gedanken, dass ich Gutes denke
über meine Augen, dass ich Gutes sehe
über meine Ohren, dass ich Gutes höre
über meinen Mund, dass ich Gutes rede
über meine Gefühle, dass ich Gutes erspüre
über mein Herz, dass ich Gutes liebe
über meine Hände, dass ich Gutes tue
über meine Füsse, dass ich gute Wege gehe
Ergreife Du die Macht über mich
damit ich gut bin
Ergreife Du die Macht über die ganze Welt
damit das Gute siegt

Aus: Anton Rotzetter:
Gott, der mich atmen lässt
© Verlag Herder 1985  ISBN Nummer: 3- 451- 20548 -3
Erscheinungsjahr 1985; Herstellung 1989; Seite 73 oberer Teil