Wegkreuz Hinterhof Untereggen

Die zwei Sühnekreuze in Untereggens Hinterhof gehen auf den letzten St. Gallischen Hexenprozess zurück. Im St. Galler Stiftsarchiv befinden sich Dokumente über ein Hochgericht vom 12. Juni 1745, das eine vermeintliche Hexe zum Tode verurteilte.

Der Historiker Johannes Huber hat in Band 1 seines Buches «Entlang der Fürstenlandstrasse» den nachfolgenden Text über seine Recherche über diesen dramatischen Prozess veröffentlicht:

Die aus Matzingen (TG) gebürtige und 1708 zum katholischen Glauben übergetretene Margaretha Suser, geborene Störkin, arbeitete bis 1741 als Köchin beim Unteregger Pfarrer Sebastian Nuffer. Gegen den ausdrücklichen Rat des Geistlichen, heiratete sie in diesem Jahr den schwierigen Unteregger Johann Jakob Suser. Bald schon war die Frau unglücklich. Inzwischen hatte Pfarrer Nuffer mit Maria Grossmann eine neue Haushälterin zu sich genommen. Diese gewahrte offenbar in Margaretha Suser, die das Pfarrhaus öfter aufsuchte und Pfarrer Nuffer um seelischen Beistand anging, zusehends eine Nebenbuhlerin. Die Angelegenheit ins Rollen brachte indes die ab und zu im Pfarrhof tätige Näherin Katharina Näf, die an Margaretha Suser schwere Vorwürfe richtete. Vor dem Oberamt (Vogtei) Rorschach berichtete die psychisch kranke Näherin von allerhand teuflischen Praktiken, derer sich Margaretha Suser schuldig gemacht hätte. Nachdem 1743 eine erste Untersuchung gegen Margaretha Suser ergebnislos verlaufen und wenig später eingestellt worden war, wurde sie 1745 erneut der schwarzen Magie bezichtigt und eingekerkert. Durch schwere Folter gebrochen, gestand Margaretha Suser schliesslich die ihr zur Last gelegten unmöglichen Dinge. Das äbtische Staatsgericht in St. Fiden bei St. Gallen verurteilte sie zum Tod durch Enthauptung. Das Urteil wurde auf dem Espenmoos bei St. Gallen noch 1745 vollstreckt, die Leiche anschliessend verbrannt. Den Geschehnissen in Untereggen, wo die Angeschuldigte nicht nur der schwarzen Magie nachgegangen, sondern auch mit dem Teufel den Kontakt gepflegt haben soll, haftet in der Tat etwas äusserst Beklemmendes an. Pfarrer Nuffer, von dem Pater Offizial Iso Walser lakonisch festhält, er habe viele Schicksale durchmachen müssen, verliess die Gemeinde bereits 1747. Die Herde, von der sich der Hirte verabschiedete, war verstört. Denn offenbar kam sie mit dem Vorfall um Margaretha Suser, seinen Folgen und vor allem mit dem persönlichen Leidensweg der Frau nur schwer zurecht. Indem mehrere Unteregger und Untereggerinnen im Hexenprozess Zeugnis gegen die Angeklagte abgelegt hatten, empfanden viele eine moralische Mitschuld am Schicksal der Frau. Der Fall Suser dürfte die Einwohnerschaft sowohl vor wie nach der Vollstreckung des Urteils gespalten und noch viele Jahre danach beschäftigt haben. Schon seit den Ereignissen um Margaretha Suser, soll im Hinterhof ein Feldkreuz gestanden haben, ursprünglich mit gemalter Kreuzigungsgruppe (Erinnerung an das Leiden Christi), das heute noch in einer erneuerten Form besteht. Angeblich hätten die Unteregger das Zeichen errichtet; ob zur Sühne des Geschehenen, ihnen bewusst gewordenen Unrechts oder zum Zeichen der Versöhnung mit Gott, ist unbekannt.

Laut dem Unteregger Restaurator Klaus Engler soll an der Wegkreuzung nach Schiben schon viele Jahrhunderte ein Kreuz gestanden haben. Aus dem 19. Jahrhundert ist es mit einer Schmerzensgruppe, bestehend aus den Figuren von Christus, Johannes und Maria, überliefert. 1916 wurde es bei einem heftigen Sturm aus Osten gänzlich umgeworfen. Der Besitzer des Kreuzes, Kirchenpfleger Lanter, und der damalige Pfarrer sammelten Geld und erstellten ein neues würdiges Kreuz aus Gusseisen. Es stand auf einem schönen Sockel. Ein Gärtchen umgab es, eingefasst von einem zierlichen Zaun ebenfalls aus Gusseisen. Wegen einer Stallerweiterung wurde es 1951 auf eine Wiese hoch über dem Hinterhof versetzt. Der damals engagierte Pfarrer Kuster wollte wieder ein Sühnekreuz am ursprünglichen Standort und liess dieses Holzkreuz 1955 aufstellen. Es wurde im Winter oft wegen Glatteis angefahren und beschädigt. Um 1980 renovierte der bekannte Unteregger Bogenbauer Willi Heuberger den Korpus und schenkte der Kirchgemeinde ein neues Kreuz aus Eibenholz ohne Dach. Nach einer erneuten Beschädigung liess Kirchenverwalter Thomas Reichmuth 1999 das heutige Kreuz aus Eichenholz aufrichten. So kam es dazu, dass im Hinterhof sowohl dieses Kreuz als auch jenes auf der Wiese unter dem Waldrand an die Zeiten der Hexenprozesse erinnern. Seit 1969 ist im Grundbuch Untereggen ein Dienstbarkeitsvertrag, unterzeichnet von Josef Lanter, für das Holzkreuz zugunsten der katholischen Kirchgemeinde Untereggen eingetragen.

(Quellen: mündlich überliefert von Klaus Engler und Milly Weder, Johannes Huber: «Entlang der Fürstenlandstrasse», Band 1)

Impuls

Das Kreuz

Ur-Symbol des Menschen
in seinem Sehnen und Suchen
nach Mehr- und Ganz-Sein
– mit Blick nach oben
nach unten und in die Weite
kreuzförmig
durch die Jahrtausende
bis hin zu jenem Kreuz von Golgota
das sich offenbart
als Zeichen des Sieges in der Niederlage
Ankunft im Abschied – Leben im Tod
für jeden Menschen
und die gesamte Schöpfung
Hoffnung, Segen, Zuversicht
auch als Schmuckstück ist das
KREUZ
DEM
   M I N U S
SEIN
PLUS
... und mehr

Klaus Jäkel, aus: Anzeiger für die Seelsorge, Zeitschrift für Pastoral und Gemeindepraxis 6/2017