Scholastikastrasse

Eine schöne Vorstellung: Dieser Bildstock soll in der Nähe der Stelle stehen, an der sich bis 1905 der Altar der Kirche des einstigen Klosters Scholastika befand. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts stand ausserhalb der Stadt hoch über den Bahngleisen ein grosser Klosterbau mit Türmchen, Mauer und Kapelle, auch das Gebiet südlich davon mit Gärten und Wiesen gehörte zum Kloster.

Wie kam Rorschach zu einem Nonnenkloster namens St. Scholastika? Im Hundtobel südwestlich von Tübach und im Steinertobel bei Mörschwil wohnten schon seit dem 15. Jahrhundert Waldschwestern. Um 1613 verliessen die letzten Schwestern das baufällig gewordene Haus im Hundtobel und vereinigten sich mit denen im Steinertobel zu einer einzigen klösterlichen Gemeinschaft. Der St. Galler Fürstabt Bernhard Müller schenkte ihnen einen Bauplatz in Rorschach in einem Steinbruch oberhalb des Seeufers. Das Geld für den Bau sammelten die Schwestern in der Rorschacher Gegend und auf Bettelreisen.

Am 21. November 1617 zogen 23 Nonnen ins neue Kloster ein, das sie St. Scholastika tauften. Scholastika war die Schwester von Benedikt, dem Gründer des Benediktinerordens. Wegen des Baus der heutigen Churerstrasse 1841 und 1853 wegen der Eisenbahn musste das Kloster viel von seinem Land bis an den See hinunter abtreten. Die Klosterchronik vermerkt: „So hat also das Kloster sein schönstes Gut in der besten Lage, fruchtbares Wiesland mit den herrlichsten Obstbäumen bepflanzt, dem Weltverkehr opfern müssen. Es büsste seine idyllische Lage am See ein und sah sich mitten in das Geräusch des Weltverkehrs versetzt.“ Rauch und Lärm der Dampflokomotiven wurde den Schwestern zu viel. Sie entschlossen sich, einen neuen Standort zu suchen. Sie kauften in Tübach ein landwirtschaftliches Gut an herrlicher Aussichtslage zwischen dem heutigen Waldeggkreisel und dem Dorf Tübach. Dort erstellte ihnen der Architekt Hardegger 1903 das heutige Scholastikakloster. Im Juni 1905 bezogen sie ihr neues Heim. Das Kloster in Rorschach wurde im Winter 1905/06 abgebrochen; die 1728 gebaute Maria Einsiedeln Kapelle blieb noch bis 1920 stehen. Nahezu 300 Jahre lang hatte das Kloster einen festen und wichtigen Platz im religiösen Leben der Rorschacher eingenommen.

Das ganze Klostergut wurde an Franz Hättenschwiler verkauft und aus Plänen im Bauamt ist 1909 sein Schwiegersohn, der Goldacher Advokat Albert Hautle-Hättenschwiler, als Besitzer ersichtlich. Er liess einen Überbauungsplan für das ganze Gebiet erstellen. Die Strasse darin nannte Hautle Scholastikastrasse, die bis heute an das Kloster erinnert. Von den Plänen Hautles wurden 1910 nur die Strasse und zwei Häuser gebaut. Die Klosterwiesen mit Obstbäumen bestanden bis 1944, erst dann erstellten allmählich Wohnbaugenossenschaften Mehrfamilienhäuser.

Der Bildstock steht vor dem Haus Scholastikastrasse Nr. 15 und wurde 1906 von Franz Hättenschwiler (1860−1937) zur Erinnerung an das Kloster erstellt. Sein Sohn, Kaplan Franz Hättenschwiler, anerkannte für sich und seine Rechtsnachfolger, dass der Katholischen Kirchgemeinde Rorschach ein dingliches Recht auf Bestand dieses Bildstockes zustehe. Der Eintrag im Grundbuchamt Rorschach datiert vom 28. März 1945. Kunstmaler Ludwig Lorenzi malte 1950 das völlig verwitterte Bild der heiligen Scholastika neu auf eine Eternitplatte. Nach einer weiteren Restaurierung 1996 folgte anlässlich einer Neuüberbauung 2018 eine Gesamtrenovation durch Restaurator Klaus Engler, dem eine hervorragende Restaurierung des Gemäldes gelang. Seither sind die fast verschwundenen Gebäudegruppen des ehemaligen Klosters wieder erkennbar. Ebenfalls sichtbar ist die Taube mit dem Äbtestab im Schnabel, die der heilige Benedikt beim Tod seiner Schwester zum Himmel schwebend gesehen haben will. Auch die Schrift «SANCTA SCHOLASTICA ORA PRO NOBIS» ist wieder lesbar. Weniger attraktiv ist seit dem jüngsten Hausneubau der Standort dieses historischen Denkzeichens, nachdem es jahrzehntelang ringsum bepflanzt und mit Blumen geschmückt worden war.

Impuls

Mit offenen Armen

Hier ist ein Platz, an dem vor vergangener
Zeit viel gebetet wurde.
Mit offenen Armen lassen wir uns ein
auf Gottes Geist:
dass er uns mit seiner Kraft belebe,
uns in unserer Unsicherheit führe,
offen macht, für das, was gerade nötig ist.
Stärke in uns den Glauben an das Gute
im Menschen.
Mit offenen Armen lassen wir uns ein auf Gottes Geist.