Hof

Nach steilem Aufstieg auf dem Weg nach Heiden bot in früheren Zeiten der Bildstock im Weiler Wilen einen beschaulichen Halt. Man betrachtete das aus dem 18. Jahrhundert stammende Kruzifix und die 1861 von Rorschachs berühmtem Kunstmaler Josef Martignoni (1803-1873) geschaffenen Bildnisse des Heiligen Kolumban, Patron von Rorschach und des Klostergründers Gallus. Die beiden wertvollen Bilder waren 1950 noch erneuert worden. Bei der Renovation 1977 wurden die beiden Gemälde auf Geheiss der Kirchenverwaltung wegen Diebstahlsgefahr und zum Schutz vor Witterungseinflüssen entfernt und bleiben seither verschollen.

Der vermutlich älteste unserer Bildstöcke wurde 1929 teilweise renoviert und war 1931 für den Eintrag eines Servituts vorgemerkt. Da die Bewohner des Weilers bisher den Bildstock gepflegt hatten, vereinbarten die Kirchgemeinde als Eigentümerin des Bildstocks und die Korporation Vierhöfe als Eigentümer des Grundstücks erst 1948 den grundbuchamtlichen Eintrag einer Dienstbarkeit. Die Korporation verpflichtete sich, das Bauwerk jederzeit «gehörig» zu unterhalten und gegebenenfalls zu erneuern, die bildliche Ausschmückung ging zu Lasten der Kirchgemeinde. Die Bewohner des Weilers pflegten «ihren» Bildstock oft selbst. Ein Beispiel: 1950 dankte die Kirchgemeinde dem pensionierten Weichenwärter Untersander für seine freiwillige Arbeit an der Ausbesserung des Bildstocks.

1966 plante die Korporation den Bildstock erneut zu restaurieren oder zu ersetzen. Die eidgenössische und die kantonale Denkmalpflege empfahlen der Korporation und der Kirchgemeinde den Bildstock mit verbesserten Proportionen zu renovieren und mit mehr Umgelände eine harmonische, zur Landschaft passende Bildstockanlage zu schaffen. Vor allem sollte auch das wertvolle Kruzifix sachgemäss überholt werden. Die Kirchgemeinde holte bei Architekt Canisius Burkard Offerten ein. Wegen Umbauplänen der Gemeinde für den Hofplatz verzögerte sich der Baubeginn und das ganze Vorhaben versank in der Planung bis 1977 die Kirchgemeinde den Kirchenmaler Karl Haaga beauftragte, den Bildstock samt Kruzifix zu renovieren. 1990 restaurierten Vater und Sohn Engler das Kruzifix erneut. Sie schätzten, dass der barocke Christus sogar um 1730 geschnitzt worden war. Am Kreuzfuss befinden sich immer noch die Schilder mit den Stifterinitialen M und J. Den heutigen schönen Zustand verdankt der Bildstock der sorgfältigen Renovation, die Restaurator Klaus Engler 2015 vornahm.

Der Bildstock kam zu neuen Ehren, als Ende der 1970er Jahre die Rorschacher Auffahrtsprozession wegen den verkehrsgeplagten Strassen unten in der Stadt an den Berg verlegt wurde. Fortan führte die Prozession vom St. Annaschloss via Hüttenmoos zum Weiler Hof, wo zum Abschluss die Gläubigen beim Bildstock die Auffahrtsmesse feierten.

Impuls

Zwischenhalt
ohne zu lügen

Schaffe in mir gott ein neues herz
das alte gehorcht der gewohnheit
schaff mir neue augen
die alten sind behext vom erfolg
schaff mir neue ohren
die alten registrieren nur unglück
und eine neue liebe zu den bäumen
statt der voller trauer
eine neue zunge gib mir
statt der von der angst geknebelten
eine neue sprache gib mir
statt der gewaltverseuchten
die ich gut beherrsche
mein herz erstickt an der ohnmacht
aller die deine fremdlinge lieben
schaffe in mir gott ein neues herz
Und gib mir einen neuen geist
dass ich dich loben kann
ohne zu lügen
mit tränen in den augen
wenns denn sein muss
aber ohne zu lügen

Dorothee Sölle
Aus: DOROTHEE SÖLLE, Loben ohne lügen. Gedichte.
© 2000 Wolfgang Fietkau Verlag, Kleinmachnov bei Berlin